MINT-Frühjahrsreport 2022: Deutschland fehlen 320.600 MINT-Arbeitskräfte
Sprach-Variante nicht hinterlegt.
Die MINT-Arbeitskräftelücke steigt auf einen April-Rekordwert in Höhe von 320.600 fehlenden MINT-Arbeitskräften. Ohne erste Erfolge bei der Zuwanderung würde die Lücke bei über 600.000 liegen. Die größten Engpässe bestehen in den Bereichen Energie/Elektro und IT. Eine echte Chance, vielen Kindern den Zugang zu den MINT-Disziplinen zu ermöglichen, wäre die regelmäßige Einbindung außerschulischer MINT-Akteure in die Angebote des Ganztages.
Die Studie „MINT-Frühjahrsreport“ zeigt, dass die Arbeitskräftelücke im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) stark zunimmt. Die MINT-Arbeitskräftelücke erreicht im April 2022 mit insgesamt 320.600 fehlenden MINT-Arbeitskräften einen neuen Rekordhöchstwert für den Vergleichsmonat April. Im vergangenen Jahr war die MINT-Lücke im April 2021 mit 159.800 fehlenden MINT-Arbeitskräften nur halb so hoch gewesen. In den letzten Jahren sind die Beschäftigungszahlen und Engpässe in den Bereichen Energie/Elektro und IT besonders stark gestiegen.
Prof. Dr. Axel Plünnecke, Leiter Kompetenzfeld Bildung, Zuwanderung und Innovation am Institut der deutschen Wirtschaft Köln: „Ohne die MINT-Zuwanderungserfolge in den letzten Jahren würden schon heute rund 312.000 MINT-Kräfte in Deutschland zusätzlich fehlen und die MINT-Lücke läge bei über 600.000. Die Forschungsleistung in Deutschland – gemessen an Patenten – ist in den letzten Jahren allein dadurch gestiegen, dass die Patentanmeldungen von Erfinderinnen und Erfindern mit ausländischen Wurzeln zugenommen haben. Bei Patentanmeldungen in Digitalisierungstechnologien ist der Anteil der Erfinder*innen mit ausländischen Wurzeln von 8,2 Prozent im Jahr 2010 auf 14,0 Prozent im Jahr 2018 besonders stark gestiegen. In der Branchengruppe Telekommunikation und IT beträgt der Zuwanderungsanteil sogar 22,5 Prozent.“
Indra Hadeler, Geschäftsführerin Bildung und Internationale Beziehungen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall: „Der MINT-Nachwuchs droht immer weniger zu werden. Die negativen Effekte der pandemiebedingten Schulschließungen auf die MINT-Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler und der Rückgang der MINT-Studienanfängerzahlen hinterlassen tiefe Spuren. Rund 36 Prozent der MINT-Beschäftigten sind in der M+E-Industrie tätig. Daher ist die Sicherung des MINT-Nachwuchses für die Industrie besonders wichtig, um über Innovationen die Weichen für die Digitalisierung und die Dekarbonisierung und damit für nachhaltiges Wachstum zu stellen. Die M+E-Industrie investiert pro Jahr rund 101 Milliarden Euro in Innovationen – das sind 59 Prozent der deutschen Innovationsaufwendungen. 75 Prozent aller Patentanmeldungen in Deutschland stammen aus der M+E-Industrie – Klimaschutz und Digitalisierung gewinnen dabei deutlich an Bedeutung.“
Christina Ramb, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA: „Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografische Entwicklung fordern unser Bildungssystem gleichzeitig und aus unterschiedlichen Richtungen. MINT-Bildung ist ein wichtiger Schlüssel zur Bewältigung dieser zentralen Herausforderungen. Der MINT-Arbeitskräftemangel wirkt sich bereits auf unsere Wettbewerbsfähigkeit aus. Weitere Potenziale müssen schnell gewonnen werden. Durch eine klischeefreie Berufs- und Studienorientierung müssen wir insbesondere auch mehr Frauen für MINT-Berufe begeistern, die hier weiter stark unterrepräsentiert sind. MINT-Berufe bieten hervorragende Beschäftigungs- und Aufstiegsperspektiven. Durch Verfahrenserleichterungen sollten zudem die Möglichkeiten der Fachkräftezuwanderung in MINT-Facharbeiterberufen dringend verbessert werden.“
Prof. Dr. Christoph Meinel, Vorsitzender MINT Zukunft e. V.: „MINT bleibt weiterhin der größte Hebel, um die Welt von Heute und Morgen zu verstehen und gestalten zu können. Zudem bietet MINT eine gute Chance für den so oft propagierten Bildungsaufstieg. Dabei kommt Schulen eine besondere Bedeutung zu, wird doch hier die Basis für die MINT-Kompetenzen gelegt und Schülerinnen und Schülern die Freude am Gestalten der realen und virtuellen Welt nahegebracht. Ein breiter, interdisziplinär angelegter Unterricht ermöglicht es z. B. später im Berufsleben das Schlagwort „datengetriebene Geschäftsmodelle“ zum Leben zu erwecken. Der Digitalisierung im Unterricht mehr Raum zu geben ist eine zentrale Gelingensbedingung. Dies sollte zum einen über die Stärkung der digitalen Kompetenzen, als auch einen Ausbau der informatorischen Grundbildung z. B. über ein Fach Informatik erreicht werden. Klar benannte Herausforderung im MINT-Frühjahrsreport ist, dass rein virtuelles Lernen im Grad der Effektivität mit vor-Ort Lern- und Lehrformen nicht mithalten kann.“
Edith Wolf und Dr. Ekkehard Winter, Vorstände des Nationalen MINT Forums: „Diese dramatischen Zahlen zeigen: die Politik muss tätig werden – Kooperation auf allen Ebenen, zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist geboten. Dabei darf die Förderung der MINT-Bildung nicht mehr nur ein Thema der Bildungspolitik sein. Arbeits- und Wirtschaftsressorts sollten ebenfalls einbezogen werden. Eine echte Chance, vielen Kindern den Zugang zu den MINT-Disziplinen zu ermöglichen, ist die regelmäßige Einbindung außerschulischer MINT-Akteure in die Angebote des Ganztages, z. B. über feste Tage. Die Nutzung dieser Potentiale würde zu erheblich mehr Teilhabe- und Chancengerechtigkeit führen. Besonders Kinder aus bildungsferneren Haushalten würden davon stark profitieren.“
Mehr Informationen über das Nationale MINT-Forum unter https://www.nationalesmintforum.de/.
Quelle: https://www.nationalesmintforum.de/themen/aktuelles/mint-fruehjahrsreport-2022/